Als Kind und Teenager bekam ich ständig die Bewertung zu hören, ich sei zu ruhig, zu still und zu schüchtern. Ich mochte mich überhaupt nicht leiden und lange Zeit war die Zuschreibung „ruhig & still“ für mich ein absolut rotes Tuch.
Ich versuchte mit allen Mitteln auf jeden Fall anders zu sein und den anderen zu zeigen, dass ich auch lebhaft und laut sein kann.
Das war sehr, sehr anstrengend und machte mich nicht gerade zufriedener und glücklicher mit mir.
Nach wie vor mag ich es überhaupt nicht, andere Menschen in Schubladen zu stecken und ihnen irgendwelche unveränderlichen Eigenschaften, Konstitutionen, „Typen“ und Merkmale zuzuschreiben (denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns ein Leben lang verändern können), aber ich sehe die Eigenschaft „ruhig & still“ mittlerweile aus einer ganz anderen Perspektive: Heute ist mein Motto eher „still und stark“: Ich finde, Sensibilität und innere Stärke sind eine Superkraft in dieser lauten Welt!
Es kann sehr, sehr befreiend sein, auf sich einmal aus einer anderen Perspektive zu schauen.
Vielleicht kennst du ja Ähnliches bei dir. Vielleicht warst du eher „die oder der Laute“, „die oder der Freche“ oder findest andere Eigenschaften an dir, die du negativ bewerten würdest. Versuch dich – und wenn´s nur zum Spiel ist – mal aus einer anderen Perspektive anzuschauen.
Du kannst den Perspektivwechsel aber nicht nur ganz wunderbar bei dir selber anwenden, sondern vor allem auch auf andere.
Gibt es irgendetwas an jemand anderen, das dich stört, verärgert oder wütend macht? Eine Meinung, die du überhaupt nicht akzeptieren kannst und bist vielleicht auch deswegen in einem Konflikt?
Es gibt aus dem Coaching eine ganz tolle Methode, die sich „Die 6 Hüte Methode“ nennt.
Hier setzt man sich gedanklich zu einer Fragestellung / einem Problem 6 verschiedene Hüte auf, die jeweils verschiedene Denkweisen, Ansichten und Positionen darstellen.
Und während man einen der Hüte aufhat, wird versucht, die Frage einmal aus einem anderen Standpunkt aus zu beleuchten.
Auf diese Weise erhältst du sehr viel mehr Problemlösungen oder Ideen, als wenn du nur auf einem Standpunkt beharrst und es hilft, eine Sichtweise oder eine einmal eingenommene Position loszulassen. Denn manchmal halten wir zu sehr an dem Vertrauten fest und stehen uns damit selbst im Weg und kommen nicht voran.
Das merken wir dann meistens daran, dass wir uns schwer und irgendwie energielos fühlen. Leichtigkeit und Freude fehlt und wir haben kein Elan wirklich loszugehen und etwas zu verändern.
Ein Perspektivwechsel kann da manchmal wirklich Wunder bewirken und es lohnt sich, es einmal auszuprobieren.
Und auch auf körperlicher Ebene gibt es im Yoga eine Asana-Gruppe, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Nämlich die Umkehrhaltungen.
Was sind Yoga Umkehrhaltungen überhaupt?
Yoga Umkehrhaltungen – im Englischen »Inversions« genannt – definieren sich darüber, dass in bestimmten Yogahaltungen, der Kopf der niedrigste Punkt des Körpers ist. Zu diesen Asanas gehören z.B. der Herabschauende Hund (Adho Mukha Shvanasana), der Schulterstand, auch Kopf – und Unterarmstand (Pincha Mayurasana) oder Handstand.
Welchen Nutzen haben Umkehrhaltungen?
Umkehrhaltungen wirken auf so gut wie allen Ebenen von Körper und Geist. So stabilisieren sie das Herz-Kreislauf-System, verbessern die Verdauung und die Funktion des Gehirns. Durch Letzteres steigt die Konzentrationsfähigkeit, und Müdigkeit verschwindet. Das Nervensystem wird positiv beeinflusst. Die Wirbelsäule wird – je nach Haltung – gekräftigt oder gedehnt, der Gang wird aufrecht und stabil. Innere Organe werden belebt oder entspannt.
Vielen Menschen machen Yoga Umkehrhaltungen Angst
Und das ist auch gut so. Denn unser Gehirn ist als Kontrollzentrale unseres Körpers extrem schützenswert. Natürlich haben wir einen eingebauten Mechanismus, damit wir keine »verrückten« und unüberlegten Bewegungen machen, die das Gehirn in Gefahr bringen würden. Du bist also ganz normal mit dieser Angst. Yoga Umkehrhaltungen müssen Schritt für Schritt erarbeitet und die dazu benötigte Muskulatur nach und nach antrainiert werden. Wenn wir uns auf diesen Prozess einlassen, gute Lehrer an unserer Seite haben und regelmäßig üben, werden wir über den Lerneffekt erstaunt sein und uns über die Resultate freuen. Denn neben den körperlichen Vorteilen ist es natürlich für das Selbstbewusstsein ein großartiger Boost, wenn man die Angst überwunden hat und tatsächlich kopfüber steht.
Geistig und emotional machen Umkehrhaltungen selbstbewusst und sorgen für gute Laune.
Wer sollte vorsichtig sein?
Für einige Menschen mag es keine Option sein die Halswirbelsäule in einem Kopfstand zu belasten oder das gesamte Körpergewicht im Handstand auf den Armen zu balancieren. Die Gründe dafür sind verschieden, so unterschiedlich wie wir Menschen mit unseren Geschichten eben sind. Einige Kontraindikationen und Gründe für Vorsicht bei klassischen Umkehrhaltungen sind Verletzungen im Nacken- oder Schulterbereich, Verletzungen am Rücken, Netzhautprobleme, Bluthochdruck oder manche Herzkrankheiten. Liegen diese vor, solltest du mit einem Arzt abklären, ob du Umkehrhaltungen praktizieren darfst und unbedingt deinen Lehrer darüber informieren.
Bei situativen Einschränkungen wie der Menstruation kannst du auf sanfteren Varianten zurückgreifen (Herabschauender Hund, Kleinkindhaltung, Viparita Karani). Wenn du es doch versuchen möchtest, geh langsam, mit Geduld und Schritt für Schritt in die Umkehrhaltungen.
Achtung: Umkehrhaltungen sind kein Muss! Yoga sollte nie ein Wettbewerb sein, und es obliegt immer deiner Verantwortung und Entscheidung, ob du den Kopfstand und die anderen Umkehrhaltungen übst.
Hier eine Aussage von einer meiner Lehrerinnen – Lucie Beyer- welchen ich euch zum Abschluss ans Herz legen möchte:
„Ich glaube, dass viele Menschen heutzutage unglücklich oder depressiv werden, weil wir entweder zu wenig Verbundenheit spüren und zu wenig Abenteuer erleben. Wenn alles zu sehr in geordneten Bahnen verläuft, wir zu sehr funktionieren und keine positive Aufregung stattfindet, schläft ein Teil in uns einfach ein. Wir fühlen uns nicht mehr wirklich lebendig. Umkehrhaltungen haben tatsächlich den Effekt eines kleinen Abenteuers auf das System. Es gibt doch nichts Schöneres als bei einem »aufregenden Unterfangen« liebevoll unterstützt zu werden! Also: Los geht´s! Versuche mal etwas Neues, wechsele die Perspektive und stell deine Welt auf den Kopf! Wer weiß, welche spannenden Blickwinkel sich dir dadurch eröffnen.“
Unser gesamtes Team und ich freuen sich darauf, euch auf dieser spannenden Reise begleiten zu dürfen!
Love💕
Katharina